Braukunst Live 2019 – Von der Leichtigkeit des Seins

Leichtes Bier rangierte für mich bisher auf einer Stufe mit Tofuwürstchen. War in meiner Genusswelt also quasi nichtexistent. Ein Vorurteil, wie ich auf der „Braukunst Live 2019“ in München erfahren durfte. Die Messe stand in diesem Jahr unter dem Schwerpunkt „Alkoholarme und -freie Biere“. Und was die Szene da zu bieten hat, ist teilweise richtig gut.

Hopfmeister hatte „Servus Sissi“ dabei, eine leichte Helle mit den Hopfensorten Sissi, Aloha und Monroe.  Spritzig, sommerlich, mit 3,5 Prozent Alkohol ein verdammt erfrischendes Bier. Für mich eine echte Alternative, wenn ich einen klaren Kopf behalten will – da geht auch noch ein Zweites.

Crew Republik sind mit ihrem Hop Junkie ihrer Linie treu geblieben – ein Session IPA mit nur 3,4 Prozent Alkohol, aber ganz viel Geschmack. Comet, Galaxy und Chinook sind hier als Hopfen zum Einsatz gekommen – eine leichte Hopfenbombe.

 

Ayinger Leichte Weiße und gleich zwei Hopfen-Königinnen – das ist ein Leben.

So etwas wie der Großvater des leichten Biers kommt von Ayinger – die Ayinger Leichte Bräuweiße gibt es schon seit 20 Jahren, ein obergäriges, hefetrübes Weizenschankbier mit 3,2 Prozent Alkoholgehalt. Die Brauer aus Oberbayern sehen Alkoholfreies als „isotonisches Sportgetränk“, wie Brauereidirektor Helmut Erdmann scherzhaft einen Mitkonkurrenten zitierte, und haben es deshalb gar nicht im Programm. Auch hier habe ich mich überzeugen lassen, leichtes Weißbier kann man trinken.

Eine weiter Erkenntnis für mich auf der Braukunst in diesem Jahr: Die Branche ist im Wandel. Weg, vom hippen Garagenbrauer –  hin zu hervorragend gemachten handwerklichen Bieren für Jedermann. Weg von Hopfen, Hopfen und noch mehr Hopfen – hin zu den althergebrachten Bierstilen, nur wieder mit Liebe und Leidenschaft eingebraut. Vermutlich bleiben dabei einige auf der Strecke, die auf den Craftbier-Zug aufgesprungen sind und jetzt nicht das Zeug dazu haben, weiter mitzuhalten. Der Verbraucher hat Qualität kennen gelernt – und das wird die Zeit hoffentlich nicht wieder zurückdrehen.

Die Braukunst wäre nicht die Braukunst, wenn man dort nicht wieder auf einige bunte Vögel der Branche getroffen wäre. Aus Estland kommt „Tanker“ – ursprünglich klassische Garagenbrauer, die in Tallinn auf hohem Niveau außerordentlich leckeres Craftbier brauen. Inzwischen haben die Esten nach eigenem Bekunden mehr als 70 verschiedene Biere gebraut. Nach einem Glas „Black Stockings“ einem unglaublich malzigen Porter, habe ich mich entschieden, auch noch noch das IPA „Reloaded“ einer genaueren Verkostung zuzuführen. Habe ich gerade etwas über hippe Garagenbrauer gesagt? Vergesst das – die Welt braucht mehr überzeugte Brauer wie die Jungs von „Tanker“.

Und dann war da noch „Heiland“, ein Doppelbocklikör, der mit dem

Slogan „Jesus würde Heiland trinken“ beworben wird. Der Likör  der Zwillingsbrüder Stefan und Max Hofstetter, mit dem nicht allzu dezenten Geschmack nach Vanilleschoten, ist durchaus trinkbar – auch wenn wohl nicht allzu viele hartgesottene Bierfans unter den Kunden sein dürften.

Wenn für Schinken die Worte fehlen

 

Als Genussmensch steht Schinken recht weit oben auf meiner Spezialitätenliste. Das Vokabular, um ein spezifisches Produkt zu beschreiben, ist allerdings noch recht eingeschränkt. Die hauchdünnen Scheiben, die ich in der Fleischerschule Augsburg probieren durfte, haben von mir das Prädikat „verdammt lecker“ erhalten. „Würzig“ und vielleicht „fest“ wäre mir auch noch eingefallen.

Im Schlaraffenland bei der Ausbildung zum Wurst- und Schinken Sommelier.

Josef Weyh, Fleischsommelier und angehender Wurst und Schinken-Sommelier aus Schwabach hat da etwas mehr Worte. Zum „optischen Profil“, was soviel wie „Aussehen“ heißt, weiß er zu sagen, der Schinken ist kräftig pökelrot, gut marmoriert und etwas stumpf. „Olfaktorisch“ riecht er eine „starke Buchenholz Rauchnote“ mit einem Hauch „Zitrone“. Und „gustatorisch“ ist der Schinken bissfest, lieblich und würzig.

Zebu-Buckelschinken – einer der teuersten Schinken der Welt.                 Fotos: Fridtjof Atterdal

Das, worum hier so große Worte gemacht werden, ist übrigens ein Buckel-Schinken vom Zebu oder Buckelrind, der von  Nils Peter Czaja vertrieben wird und den man zum Kilopreis von 599,50 Euro erwerben kann. Auch der Macher soll hier mit einer Beschreibung zu Wort kommen:

„Der Schinken entfaltet bei Zimmertemperatur all sein Charisma. Dann schmilzt das phantastisch samtige Fett sofort auf der Zunge und breitet sich unaufhaltsam aus. Damit wird der wunderbar buttrig-nussige Geschmack des Zebufleisches zu den Geschmacksknospen transportier. Danach schließt man automatisch die Augen, um diesem Genussmoment alle Aufmerksamkeit schenken zu können. Sie werden es fühlen und schmecken“

Angeblich wurde der Schinken vom Chefkoch des Grand Hyatt Berlin zu einem der fünf besten Schinkenprodukte der Welt gewählt. Wie ich schon sagte – verdammt lecker!

Diplom-Fleischsommelier Reiner Reutzel ist Experte für feine Schinken.

Die Verkostung fand im Rahmen der Ausbildung zum Wurst und Schinken-Sommelier in der Fleischerschule Augsburg statt. Fleischermeister aus der ganzen Republik bilden sich hier fort, um in der heimischen Metzgerei die Kunden mit nationalen und internationalen Spezialitäten verwöhnen zu können – und dazu auch etwas zu sagen haben. Der Kurs ist in Deutschland einzigartig. 15.000 verschiedene Sorten Wurst werden in Deutschland produziert und es werden jeden Tag mehr. Dazu kommt eine Vielfalt an nationalen und internationalen Schinkenspezialitäten. In dem zweiwöchigen Lehrgang lernen die Metzger nicht nur alles über die Herstellung von Wurst und Schinken, sondern vor allem auch Geschichten, die sie ihren Kunden erzählen können. Das Programm beinhaltet die Kulturgeschichte der Wurst, Räuchertechnologie, Material- und Tierkunde. Auch Thekenpräsentation und Foodpairing werden behandelt.

Nach Erscheinen des Beitrags haben sich bei mir Assimina Christopoulou und Michael Ehrkamp vom „Gutshof Original“ gemeldet und mir mitgeteilt, dass sie die einzigen echten Zwergzebuzüchter seien, Markenschutz auf ihren Zebuschinken haben und ich demzufolge ein Plagiat gegessen habe. Mein Blog-Beitrag wurde für den Anwalt gesichert. Der Ordnung halber halte ich das hier fest. Da es offenbar noch kein Gerichtsurteil gibt, gehe ich davon aus, Zebu gegessen zu haben – und es war SAULECKER!